Die Reise zum Mittelpunkt der Magie
13. Juni 2025
Datum/Zeit
Date(s) - 12. September 2025 - 14. September 2025
8:30 - 19:00
Veranstaltungsort
Phantastische Bibliothek Wetzlar
Kategorien
Jenseits von Elbisch
Konstruierte Sprachen in Phantastischen Welten
41. Wetzlarer Tage der Phantastik // Symposium 2025 der Inklings-Gesellschaft für Literatur und Ästhetik e. V. (12.–14. September 2025)
Seid vorsichtig, Freunde! […] Sagt nichts Geheimes!
Hier ist ein Kundiger der Alten Sprache.
J. R. R. Tolkien, Der Herr der Ringe, Buch 1, Kapitel 3.
Konstruierte Sprachen schaffen es, uns Leserinnen und Leser tiefer in den Sog des Phantastischen zu ziehen, bringen uns dazu, den sicheren Hafen des Rationalen, des Bekannten zu verlassen, um uns an neue Gestade zu spülen. Obwohl sie uns vorher unbekannt waren, rufen konstruierte Sprachen ein bestimmtes Empfinden wach. Ein Elbenfürst namens Grishnákh wäre genauso sonderbar wie Namarië als Abschiedsgruß eines Klingonen. Durch diese Verbindung erschaffen konstruierte Sprachen eine Immersion, die das Worldbuilding vollendet. Die Welt des Phantastischen wird glaubhafter, greifbarer und lebendiger.
Immersion sei hier das Stichwort. Werden das Fremde und Mythische in der Odyssee noch allein in der Art, Kultur, und Lebensweise fremder Völker wie den Lotophagen, Kyklopen und Laistrygonen sichtbar, trägt die Verwendung exotischer Sprachfragmente, die mehr oder weniger korrekt und manchmal gänzlich erfunden sind, zum Kolorit realer, fiktiver und phantastischer Reisen bei. Von Jonathan Swifts Gullivers Reisen über Karl Mays Reiseerzählungen bis hin zu J. R. R. Tolkiens Der Herr der Ringe, in dem die fiktive Welt sprachlich detailliert ausgestaltet ist.
Der komplette Verzicht auf das sprachliche Element auf der einen Seite und eine voll ausgebaute Sprache wie Quenya auf der anderen stellen lediglich Pole eines Spannungsfeldes dar. So deutet H. G. Wells die Eigenschaften der Sprache der Eloi nur an, von den Morlocks wird erwähnt, dass sie überhaupt eine besitzen. Indem wir uns von Die Zeitmaschine 101 Jahre Richtung Gegenwart bewegen zum Beginn von G. R. R. Martins Buchreihe Das Lied von Eis und Feuer, nähern wir uns ansatzweise dem Pol, dem Tolkiens Quenya zuzuordnen ist. Im Gegensatz zur Eloi-Sprache nennt Martin nicht nur mehrere Namen aus den entsprechenden Sprachen, sondern auch konkretes Sprachmaterial, z. B. qoy oder vaes, welche man anhand des Kontexts als ‚Blut‘ und ‚Stadt‘ auffassen kann. Für den Wechseln ins audiovisuelle Medium erschuf David Peterson aus diesen Fragmenten das Dothraki für die Fernsehserie Game of Thrones.
Hinzu kommen Werke, in denen die Verwendung konstruierter Sprachen ein zentraler Bestandteil des Narrativs sind, wie Suzette Haden Elgins Amerika der Männer oder Ursula K. Le Guins Immer nach Hause, oder solche, in denen über Übersetzungsprobleme einer fiktiven Sprache kulturelle Differenzen deutlich gemacht werden wie in C. J. Cherryhs Atevi-Zyklus. Teilweise werden einzelne sprachliche Elemente gezielt eingesetzt, um die Funktion von Sprache als Machtmittel zu unterstreichen wie beim Neusprech in George Orwells 1984 oder bei den Zaubersprüchen der Harry-Potter-Reihe. Dabei wird Sprache im Falle des Neusprechs als soziopolitisches Instrument eingesetzt, im Falle der lateinisch-basierten Zauberformeln bei J. K. Rowling als direkter Zugang zur Manipulation der Wirklichkeit.
Selbstredend haben konstruierte Sprachen es auch in die deutsche Phantastik geschafft. Während beispielsweise Markus Heitz’ Die Legenden der Albae mit Orts- und Personennamen sowie Begriffen wie dzôn ‚Stadt‘ und nostàroi ‚Feldherr‘ eher dem fragmentarischen Muster bei G. R. R. Martin folgen, findet sich mit Horn in der Fernsehserie Der Greif sogar eine voll entwickelte Sprache.
Konstruierte Sprachen sind folglich sowohl in Deutschland als auch in der Welt von immenser Bedeutung zur Vermittlung des Phantastischen, da sie zu einem zentralen Element der Immersion geworden sind. Diesem Element seien die 41. Wetzlarer Tage der Phantastik gewidmet.